8. April 2020

Anforderungen an eine Tracing-App für Europa

Das Coronavirus hat das Leben weitgehend stillgelegt. Wie lange noch? Wir können das „Social Distancing“ nicht ewig durchhalten. Wir brauchen Alternativen. Zurzeit liegt der gute Vorschlag eines „Pan European Privacy Protecting Proximity Tracing“ (PEPP-PT) von 130 Beteiligten aus mehreren europäischen Ländern auf dem Tisch. Diese Plattform bietet alle Möglichkeiten, die Technologie auf europäische Art und Weise unter Wahrung der Grundrechte zu nutzen. Aber es kommt auf die Ausgestaltung an: Sie muss privacy-freundlich sein und in ein wirksames Konzept eingebettet sein.

Diese Bedingungen sollte eine Tracing-App für Europa erfüllen

  • Die Daten dürfen ausschließlich zur Eindämmung der Corona-Pandemie erhoben werden, sie dürfen nicht mit anderen Daten verknüpft werden und müssen nach einer angemessenen Frist und auf Wunsch der Nutzer*innen automatisch gelöscht werden.
  • Es dürfen nur die wenigen notwendigen Daten gespeichert werden, also anonymisierte Kontaktdaten und keine Standortdaten wie zunächst von Gesundheitsminister Spahn vorgeschlagen. Die Daten müssen dezentral gespeichert sein, es muss eine verschlüsselte Datenübertragung gewährleistet sein und der Zugriff auf die Daten nur im Bedarfsfall möglich sein. Dass eine vollständig anonyme Kontaktverfolgung möglich ist, belegt der Chaos Computer Club (Link).
  • Die App muss unabhängig kontrolliert und ihre Weiterentwicklung überwacht werden. Sie muss Open-Source-Standards und anspruchsvollsten Sicherheitsstandards genügen.
  • Für die Nutzer*innen muss die Anwendung transparent und einfach zu bedienen sein.
  • Die App ist nur wirksam, wenn die rechtlichen Folgen geklärt sind: Was passiert mit den Menschen, die eine SMS-Benachrichtigung bekommen? Haben sie Anspruch auf einen Test? Haben Sie das Recht auf eine Krankschreibung? Was ist mit Selbständigen? Sie benötigen eine Lohnersatzleistung. All diese Fragen müssen vor Einführung der App geklärt sein. Ohne eine erwartbare Wirksamkeit ist der Einsatz einer App nicht zu rechtfertigen.
  • Grundsätzlich birgt das Konzept einer „Corona-App“ wegen der erfassten Kontakt- und Gesundheitsdaten Risiken. Sie trotzdem einzusetzen ist zu rechtfertigen, wenn es eine hohe erwartbare Wirksamkeit gibt, die zu einer Zurücknahme der aktuellen Grundrechtseinschränkungen wie der Kontaktsperre mit daraus resultierender stärkerer häuslicher Gewalt und dem mangelnden Zugang zum Bildungssystem, das Kinder aus einkommensschwächeren Familien besonders benachteiligt, beiträgt.
  • Für Menschen, die eine SMS-Benachrichtigung erhalten, darf es keine verpflichtenden Folgen geben. Ein Modell wie in Südkorea, wo Menschen unter Hausarrest gestellt werden, ist bei uns nicht denkbar. Das entspräche einer Haftstrafe, die bei uns nur durch ein Gericht erwirkt werden kann.
  • Es muss das Prinzip Freiwilligkeit gelten. Wir brauchen keine elektronische Fessel, die Menschen dazu zwingt, die App zu nutzen und das Telefon immer aufgeladen und empfangsbereit bei sich zu tragen. Es darf weder Gebühren noch finanzielle Anreize geben. Gleichzeitig dürfen öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken und private Anbieter wie beispielsweise Gaststätten keine Menschen ausschließen, die die App nicht nutzen.

 

Europa kann jetzt zeigen, dass die liberalen Demokratien mit einer solchen Krise umgehen und gleichzeitig die Grundrechte wahren können. Wir haben die einzigartige Chance zu zeigen, dass Privatsphäre und Gesundheitsschutz Hand in Hand gehen müssen.

Wir begrüßen eine europäische Lösung, weil wir durch die DSGVO einen gemeinsamen Rechtsraum und eine gemeinsame Datenschutzkultur in Europa haben. In den vergangenen Jahren wurden „Privacy by Design“-Konzepte entwickelt, die ihre Funktion erfüllen und trotzdem die Privatsphäre schützen. Wir lehnen grundsätzlich alle Konzepte ab, die unsere Privatsphäre verletzen.

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