Der DSA: Teil #04 Besser verbunden durch Interoperabilität
Als Telekom-Kundin einen Vodafone-Nutzer anrufen? Das geht selbstverständlich – aber bei Messenger-Diensten klappt es nicht. Warum funktioniert das mit Signal, Skype, Threema und WhatsApp nicht? Können die Dienste nicht so zusammenarbeiten, wie sie für Nutzer*innen praktikabel sind? Ja, sie könnten, wenn sie wollten. Das Zauberwort heißt Interoperabilität: Es bedeutet, dass Nutzer*innen zu einer anderen Plattform oder App wechseln können, ohne ihre Kontakte zu verlieren und weiterhin mit ihnen kommunizieren können. Noch konkreter: Wenn jemand einen Inhalt auf Plattform A veröffentlicht, können seine Kontakte auch über die Plattformen B, C und D lesen und antworten.
Dann müssten Nutzer*innen ihre Messenger-App oder ihr soziales Netzwerk nicht mehr nach Anzahl der dort vorhandenen Kontakte auswählen, sondern könnten auf Datenschutz oder Bedienungsfreundlichkeit setzen. Der Wechsel zu alternativen Diensten würde es allen Nutzer*innen ermöglichen, personalisierter Werbung und Manipulation auf Facebook, YouTube und Twitter aus dem Weg zu gehen – ohne auf den Komfort moderner Kommunikation zu verzichten. Denn bisher rücken diese Plattformen Inhalte in den Vordergrund, die die Aufmerksamkeit der Nutzer*innen am längsten aufrechterhalten. Das funktioniert vor allem mit polarisierenden, extremistischen und Angst einflößenden Inhalten und Kommentaren – und hat dramatische Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.
Interoperabilität bringt deshalb nicht nur Vorteile in Bezug auf Innovation, Qualität und Datenschutz, weil Anbieter auf die beste Leistung anstatt auf Synergie-Effekte (wie beim Facebook Messenger) setzen müssen. Experten erklären auch, wie Interoperabilität dazu beitragen kann, die Medienvielfalt und den Medienpluralismus zu verbessern (siehe Ian Brown, pdf). Wir könnten uns für unterschiedliche Moderationsmodelle entscheiden, um zum Beispiel Beleidigungen nach eigenen Kriterien filtern zu lassen, und gleichzeitig die digitale und technologische Souveränität Europas zu stärken, indem wir es europäischen Diensten ermöglichen, mit einer guten Idee erfolgreich in den Markt einzusteigen.
Mein Internet der Zukunft:
- Nutzer*innen sollten in der Lage sein, Beiträge von Freund*innen auf anderen Plattformen sehen zu können, und zwar ohne eigenes Konto bei dem Ausgangsdienst. Wenn sie beispielsweise von Facebook auf eine andere Plattform wechseln, können sie dort weiterhin die Posts ihrer Freund*innen sehen.
- In ähnlicher Weise sollten Nutzer*innen mit geschlossenen Nachrichten- oder Chatgruppen auf anderen Plattformen interagieren können. Das bedeutet zum Beispiel, dass man nicht drei verschiedene Messaging-Anwendungen auf dem Telefon installieren muss, sondern sich für eine entscheiden und dann anbieterübergreifend Nachrichten austauschen kann.
- Um die Autonomie und die Auswahlmöglichkeiten der Nutzer*innen zu verbessern, sollten die großen Plattformen Drittanbieter erlauben, Inhalte zu moderieren, wenn die Nutzer*innen es wünschen. Wem beispielsweise die Art und Weise, wie Facebook Inhalte anzeigt nicht gefällt, könnte diese Aufgabe beispielsweise an eine unabhängige Organisation delegieren, die sich auf bestimmte Moderationspraktiken spezialisiert und den Diskurs gemeinwohlorientierter und demokratischer organisiert oder eigene Priorisierungen erlaubt. .
- Anders ausgedrückt: Große soziale Medien können durch eine verpflichtende Entbündelungsmaßnahme zur Interoperabilität gezwungen werden. Das Hosting und die Moderation von Inhalten würde dann technisch und vertraglich getrennt. Dominante Social-Media-Plattformen wären dadurch weiterhin in der Lage, die Inhalte auf ihren Plattformen zu moderieren, aber sie müssten Wettbewerbern auch erlauben, konkurrierende Moderationsdienste auf ihren Plattformen zuzulassen. Solche Maßnahmen sind nichts Neues und haben schon im Bereich der Telekommunikation erfolgreich zu mehr Wettbewerb geführt.
- Programmierschnittstellen (APIs) müssen zudem leicht zu finden, gut dokumentiert und transparent sein.
Mehr erfahren:
- Die internationale Menschenrechtsorganisation Artikel 19 hat mehr zu diesem Thema geschrieben.
- Ian Brown: Interoperability as a tool for competition regulation.
- Ian Brown: Technical components of interoperability as a tool for competition regulation.
- Inge Graef: Mandating portability and interoperability in online social networks: Regulatory and competition law issues in the European Union
- EDRi: Interoperability: A way to escape toxic online environments