Die drei Fragezeichen hinter der Ankündigung von Google
Google tritt an, den Online-Werbemarkt zu verändern: Schon im vergangenen Jahr hatte das größte digitale Werbeunternehmen der Welt angekündigt, keine Cookies von Drittanbietern mehr zuzulassen. Neu ist nun: Google will auch keine alternativen Tracking-Methoden mehr entwickeln und setzt künftig auf pseudonymisiertes Gruppen-Tracking. Das soll mit sogenannten „Federated Learning of Cohorts“, kurz FLoC, funktionieren. Die Datenschützer der Electronic Frontier Foundation (EFF) erklären die Technologie so: Ein FLoC-Name wäre im Wesentlichen ein Verhaltenskredit-Score: ein Tattoo auf Ihrer digitalen Stirn, die eine prägnante Zusammenfassung darüber gibt, wer Sie sind, was Sie mögen, wohin Sie gehen, was Sie kaufen und mit wem Sie in Verbindung stehen. Was ändert sich dadurch wirklich?
Ganz sicher hat der Konzern mit seiner Ankündigung ein Ausrufezeichen gesetzt:
- Google setzt die Branche unter Druck, allen voran Facebook, die Nummer zwei auf dem digitalen Werbemarkt. Anders als bei Google beruht das Geschäftsmodell von Facebook sogar nur auf dem Ausspähen des Nutzerverhaltens.
Aber Google hinterlässt auch drei große Fragezeichen:
- Die Maßnahme spielt uns vor, dass wir nur die Wahl haben zwischen den bisherigen Geschäftspraktiken mit spionierender Werbung und einem neuen Modell der gruppenbasierten spionierenden Werbung – also der Wahl zwischen Pest und Cholera. Google lässt die grundsätzliche Frage außer Acht, ob wir überhaupt spionierende Werbung in unserer Gesellschaft brauchen und wollen? Ich plädiere für eine dritte Option: Die Abkehr von spionierender Werbung insgesamt.
- Trägt die Maßnahme von Google wirklich dazu bei, unsere Demokratie zu schützen? Auch ein interessenbasiertes Targeting wird es weiterhin möglich machen, Informationen gezielt an dafür anfällige Personengruppen auszuspielen: Die neue Praxis hätte den Sturm auf das Kapitol in Washington nicht verhindert. Am Ende verschiebt sie nur das Kräfteverhältnis der Werbetreibenden auf dem Online-Markt – hin zu mehr Macht für Google.
- Es scheint, als könnte die Maßnahme viele der Datenschutz-Probleme von spionierender Werbung lösen – aber würden nicht viele der anderen Probleme spionierender Werbung wie das der Diskriminierung oder des sogenannten „predatory targeting“, also der „auflauernden Werbung“ verschlimmert werden?
Fazit: Die Ankündigung von Google ist der Versuch des Konzerns, sein Image zu retten und sein Monopol zu zementieren. Indem Google den Rest der Online-Werbewelt ausschließt, gewinnt der Goliath des Geschäfts noch mehr Macht über den Markt.
Ich sehe keinen Vorteil für unsere Demokratie darin, wenn künftig Personengruppen statt Individuen manipuliert werden. Die Vorteile für Google aber liegen auf der Hand: Der Konzern entzieht sich damit dem Dunstkreis der DSGVO. Das bestärkt mich darin, dass wir in Europa das kranke Geschäft mit spionierender Werbung gänzlich beenden sollten – dafür kämpfe ich im Rahmen des EU Digital Services Act.
Tipps zum Weiterlesen:
03.03.2021 – Warum Google Cookie-Tracking abschafft (Netzpolitik.org)
03.03.2021 – Google’s User-Tracking Crackdown Has Advertisers Bracing for Change (Wall Street Journal)
03.03.2021 – FloC Is a Terrible Idea (EFF)
18.01.2020 – Datenschützer nicht begeistert: Das sind Googles Pläne für ein Web ohne Tracking-Cookies (T3N)