DSA: Was hat das Gesetz über digitale Dienste mit Telegram zu tun?
Es ist mittlerweile in aller Munde: Über Telegram werden regelmäßig strafbare Inhalte in öffentlichen Gruppen und Kanälen geteilt, Mordpläne werden offen diskutiert und angedroht – während die Betreiber des Dienstes jegliche Aufforderungen von Behörden ignorieren.
Marco Buschmann, neuer Bundesminister der Justiz, forderte daraufhin, dass man doch einen gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen schaffen soll, um gegen Hass und Hetze vorzugehen. Ich erkläre euch hier wie dieser europäische Rechtsrahmen voraussichtlich aussehen wird. Er ist momentan noch im Gesetzgebungsprozess, könnte aber 2023 in Kraft treten.
Das Gesetz über digitale Dienste, auch Digital Services Act (DSA) genannt, legt europaweit Regeln fest, wie in Europa genutzte Onlinedienste für die Inhalte ihrer Nutzer*innen haftbar gemacht werden können. Sobald Anbieter Kenntnis über illegale Inhalte auf ihrer Plattform haben, müssen sie diese unverzüglich entfernen, um einer Haftung zu entgehen.
Anbieter sind außerdem dazu verpflichtet – und hier wird es spannend im Vergleich zum NetzDG – ihre AGBs so anzuwenden, dass sie „die geltenden Grundrechte der Nutzer“ berücksichtigen. Morddrohungen verletzen klar die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit.
Inwiefern gilt der DSA für Telegram?
Der Dienst begann einst als Messenger, ist aber längst zu einem sozialen Netzwerk geworden. Die EU-Kommission schlug im DSA ursprünglich vor, dass „interpersonelle Kommunikationsdienste (…), etwa E-Mail oder Instant Messaging-Dienste“, nicht in den Anwendungsbereich des DSA fallen.
Allerdings: „Allein die Möglichkeit, Nutzergruppen innerhalb eines bestimmten Dienstes zu schaffen, sollte kein hinreichendes Kriterium dafür sein, dass die auf diese Weise verbreiteten Informationen nicht öffentlich verbreitet werden.”
Ein Vorschlag der Grünen/EFA wurde in den EU-Parlamentstext mit aufgenommen. Hiermit stellen wir sicher, dass auch große Gruppen wie auf Telegram in den Anwendungsbereich fallen: „Wenn der Zugang zu Informationen eine Registrierung oder die Zulassung zu einer Nutzergruppe erfordert, sollten diese Informationen nur dann als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gelten, wenn Nutzer, die auf die Informationen zugreifen möchten, automatisch registriert oder zugelassen werden, ohne dass eine menschliche Entscheidung darüber getroffen wird, wem der Zugang gewährt wird.“
Insofern lässt sich der DSA – je nach Verhandlungsausgang – schon dahingehend interpretieren, dass der DSA auch für Dienste mit offenen Gruppen wie Telegram gilt.
Die Position des Europäischen Rates fügt dem DSA noch hinzu: „Die in dieser Verordnung festgelegten Verpflichtungen (…) können jedoch für Dienste gelten, die die Bereitstellung von Informationen für eine potenziell unbegrenzte Anzahl von Empfängern ermöglichen, die nicht vom Absender der Kommunikation bestimmt wird, wie z. B. über öffentliche Gruppen oder offene Kanäle.“
Als nächsten Schritt müssen sich nun die drei Institutionen, -Kommission, Parlament und Rat – im sogenannten „Trilog“ über den Gesetzestext einig werden. Die Verhandlungen werden Anfang 2022 starten, eine Einigung erzielen wir hoffentlich noch im Laufe des nächsten Jahres.
Was bedeuten die neuen Regeln für Telegram?
– Sobald ein Anbieter eine Anordnungen einer nationalen Justiz- oder Verwaltungsbehörde erhält, muss gegen den jeweiligen illegale Inhalt vorgegangen werden (Artikel 8) oder es müssen Informationen über die betreffenden Nutzer*innen herausgegeben werden (Artikel 9).
– In Europa agierende Anbieter müssen für die Behörden erreichbar sein müssen – etwa indem sie einen Rechtsvertreter benennen (Artikel 11 DSA) – egal wo sie sitzen.
– Die Anwendung und Durchsetzung von AGBs müssen Grundrechte respektieren (Artikel 12).
– Telegram müsste einen Mechanismus einrichten, der es Nutzer*innen erlaubt potentiell strafbare Inhalte zu melden, damit diese geprüft und gelöscht oder gesperrt werden (Artikel 14 DSA). Sollten Anbieter dies nicht tun, können sie haftbar werden.
– Anbieter wie Telegram müssten zudem den nationalen Behörden alle strafrechtlich relevante Nachrichten melden, also sobald sie den Verdacht bekommen, dass eine „schwere Straftat, die eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit von Personen darstellt, begangen wurde, begangen wird oder begangen werden könnte“ (Artikel 15a (vormals 21) DSA).
– Sollte ein Dienst auf Mahnschreiben oder Aufforderungen von Behörden nicht reagieren, so haben die neuen zuständigen nationalen „Koordinatoren für digitale Dienste“ die Macht, Geldbußen aufzuerlegen oder auch einstweilige Maßnahmen gegen den Anbieter anordnen.