„Offener Brief“ an die Kommission – Keine KI zur Geschlechtserkennung in der EU!
Am kommenden Mittwoch legt die EU-Kommission ihren Gesetzentwurf zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz in Europa vor. Die geleakte Vorabversion geht an vielen Stellen schon sehr weit und hält die Werte der Europäischen Union hoch – aber nicht konsequent genug. In einem „Offenen Brief“ an die EU-Kommission fordere ich, eine rote Linie gegenüber allen Systemen zu ziehen, die eine Erkennung von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Gesundheitszustand oder Behinderung beinhalten. Die EU muss sich klar davon abgrenzen, denn sie widersprechen dem Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Lest hier meinen „Offenen Brief“ – Letter to the Commission – 16.04.2021
Das Reduzieren von Menschen auf Äußerlichkeiten ist diskriminierend – egal, ob durch Menschen oder Maschinen. Deshalb können technische Systeme, die einen Menschen nur mit Formeln ansehen und in Kategorien nach sexueller Orientierung, Geschlecht oder Behinderung einteilen, nur diskriminierend sein. In unfreien Gesellschaften kann die Technologie sogar maximal ausgereizt werden, um Menschen zu stigmatisieren oder zu verfolgen. Das Schadenspotenzial dieser technischen Anwendungen übersteigt so eklatant den Nutzen – falls es ihn überhaupt gibt – dass wir uns in Europa per Gesetz klar davon verabschieden sollten.
Wir müssen die Gefahren dieser Erkennungstechnologien genauso intensiv diskutieren wie die automatische Gesichtserkennung. Anwendungen dieser Art beweisen auf erschreckende Weise, dass sie Menschen auf ein enges und veraltetes Verständnis zum Beispiel von Geschlecht reduzieren. KI soll uns in eine freie Zukunft begleiten und nicht in repressive, alte Muster zwingen. Jede Anwendung zur Geschlechtserkennung diskriminiert Personen wie trans- und nichtbinäre Menschen, die nicht in diese engen Kategorien passen. Wie kann eine KI den Grundrechten entsprechen, wenn sie ganze Bevölkerungsgruppen bewusst ausschließt?
Wenn wir dieser Technologie in Europa die Tür öffnen, würden sich neue Formen der Diskriminierung in unseren Alltag einschleichen, die die Freiheit der Menschen beschränken. So könnte zum Beispiel der Zugang zu geschlechtsspezifischen Räumen wie Umkleiden oder Toiletten überwacht werden und Menschen werden ausgeschlossen, weil sie von den Systemen nicht erkannt werden. Das möchte ich nicht erleben. Europäische KI-Systeme sollen den technischen Fortschritt fördern, sie sollen die Wirtschaft effizienter machen und unser Klima schützen helfen – aber nicht unser Menschsein beschränken. Deshalb streite ich für eine klare Absage an KI-Anwendungen zur Geschlechtserkennung.