Eine Mannschaft mit Fragezeichen: Von der Leyens neue EU-Kommission
Soeben hat Ursula von der Leyen ihren Vorschlag für die nächste EU-Kommission vorgestellt. 11 Frauen und 16 Männer sollen zukünftig als Kommissar*innen die Europäische Regierung bilden, von Parlament und Mitgliedstaaten beschlossene Gesetze umsetzen, die Europäischen Verträge wahren und ihre Werte schützen. In den letzten Wochen hat Ursula von der Leyen in vielen Verhandlungen aus den Vorschlägen, die ihr die Mitgliedsstaaten gemacht haben, ihre neue Mannschaft zusammengestellt (unten findet Ihr die Liste).
Hier sind meine ersten Einschätzungen und eine Erklärung, wie es jetzt weitergeht:
1. Wie sieht das Machtgefüge aus und wie groß ist der Einfluss von rechtsextremen Parteien?
Bei ihrer Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin im Juli wurde Ursula Von der Leyen im Parlament von vier Parteien unterstützt: Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne. Leider ist es keiner Regierung eines Mitgliedstaats gelungen, eine*n grüne*n Kommissar*in in die Kommission zu entsenden.
Von den 26 Positionen in der neuen Kommission sollen lediglich 11 an Politikerinnen gehen. Das zeigt, dass es nicht genügt, wenn einzelne Mitgliedstaaten ihre Spitzenpositionen mit Frauen besetzen. Anstatt symbolische Signale zu senden, müssen politische Ämter für echte Geschlechtergerechtigkeit durchgängig paritätisch besetzt werden. Nur durch eine gleichberechtigte Teilhabe auf allen Ebenen kann die Hälfte der Macht tatsächlich bei Frauen liegen.
Die Verantwortung dafür tragen diesmal aber deutlich die Mitgliedstaaten, die trotz eines ausdrücklichen Aufrufs nur 6 von 26 Frauen als Kommissarinnen vorgeschlagen haben, also nur 22%. Ursula von der Leyen hat sich dafür eingesetzt und es geschafft, den Frauenanteil in der Kommission auf 40% zu erhöhen. Zudem hat sie vier der sechs Vizepräsident:innen-Posten mit Frauen besetzt.
Die einzige Regierung Europas, die einen rechtsextremen Kommissar entsandt hat, war Italien. Es ist schwer zu begreifen, dass Raffaele Fitto – ausgerechnet aus der EKR-Fraktion, die sich geweigert hat, Ursula von der Leyen zu unterstützen – jetzt für einen Sitz als Vizepräsident der Europäischen Kommission vorgesehen ist. Sicher, Italien kann seinen eigenen Kommissar wählen, aber das Gleichgewicht der Macht in der Kommission ist kein politischer Spielplatz, auf dem man sich austoben kann. Sie soll die parlamentarischen Mehrheiten repräsentieren, die tatsächlich Gesetze durchsetzen können, und nicht Randgruppen begünstigen. Pro-europäische, demokratische Mehrheiten finden sich in der Mitte – nicht am rechtsextremen Rand, wo Europa Gefahr läuft, zum Spielball von Rechtsextremen wie Meloni und Orbán zu werden.
2. Wie geht es weiter mit dem Klimaschutz?
Die spanische Kommissarin Teresa Ribera hat sich Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben. Sie ist die neue Vizepräsidentin der Kommission “For A Clean, Just and Competitive Transition”, gegen viele Widerstände der Christdemokraten. Allerdings soll das Portfolio “Climate, Net-Zero and Clean Growth” an den Niederländer Wopke Hoekstra gehen. Hoekstra war in der Vergangenheit für Shell tätig. Jetzt kommt es genau darauf an, wie die Aufgaben zugeschnitten sind. Darauf werden wir im Verfahren im Parlament genau achten, damit am Ende Klimaschutz nicht zwischen den zwei Kommissar:innen zerrieben wird. Zumindest ist eine Vizepräsidentin Teresa Ribera ein gutes Zeichen dafür, dass auch in dieser Kommission eine starke Stimme für Klimaschutz und eine gerechte Transformation vorhanden ist. Diese Stimme gilt es jetzt zu unterstützen. Die aktuellen Hochwasser zeigen, wie wichtig dieses Thema für die Bürger*innen in Europa weiterhin ist.
3. Wie geht es weiter für die Demokratie im digitalen Zeitalter?
Hier muss eine starke Kommissarin dafür sorgen, dass wir die bereits beschlossene Gesetzgebung weiterhin nutzen, um TikTok, YouTube und Meta wieder demokratiefreundlich zu gestalten. Gleichzeitig müssen wir eine starke, unabhängige europäische Digital-Industrie aufbauen. Für dieses Ressort ist jetzt die finnische Christdemokratin Henna Virkkunen zuständig, die bisher Abgeordnete im Europaparlament war. Sie gilt als kompetent und aufgeschlossen, aber ob sie politisch den großen Tech-Konzernen genauso die Stirn bieten wird wie ihr Vorgänger, ist noch unklar. Dass von der Leyen “Tech & Security” gerade in der Pressekonferenz als ihre Prioritäten genannt hat, ist eine gute Nachricht. Auf eins könnt ihr euch verlassen: Ich werde mich hart dafür einsetzen, dass genau das passiert!
Wie geht es jetzt weiter? Das Europaparlament ist am Zug.
Alle Kommissarinnen und Kommissare stellen sich in den nächsten Wochen in zuständigen Ausschüssen des Parlaments den Fragen der Abgeordneten. Nur wenn die Kandidat:innen eine Mehrheit der Abgeordneten überzeugen, geht es für sie in die Kommission. Sonst muss von der Leyen einen neuen Vorschlag machen. Das Parlament ist also am Zug und alle können dabei sein.
Denn: Alle Anhörungen werden hier live online übertragen und sind transparent. Als Grüne Fraktion werden wir dafür sorgen, dass die richtigen Fragen gestellt werden. Beteiligt euch an diesem demokratischen Prozess und schickt mir Fragen, die ihr besonders relevant findet, einfach als Antwort auf diese Mail. Es geht darum, Kommissarinnen und Kommissare darauf zu verpflichten, sich in den nächsten Jahren für Klimaschutz, Demokratie und einen starken Zusammenhalt in Europa einzusetzen.
Das ist Von der Leyen’s Mannschaft:
Ursula von der Leyen (Germany): European Commission President
Teresa Ribera (Spain): Executive Vice-President for the Clean, Just and Competitive Transition
Henna Virkkunen (Finland): Executive Vice-President for Tech Sovereignty, Security and Democracy
Stéphane Séjourné (France): Executive Vice-President for Prosperity and Industrial Strategy
Roxana Mînzatu (Romania): Executive Vice-President for People, Skills and Preparedness
Raffaele Fitto (Italy): Executive Vice-President for Cohesion and Reforms
Kaja Kallas (Estonia): High Representative for Foreign and Security Policy
Magnus Brunner (Austria): Internal Affairs and Migration
Hadja Lahbib (Belgium): Preparedness, Crisis Management. Equality
Ekaterina Zaharieva (Bulgaria): Startups, Research and Innovation
Dubravka Šuica (Croatia): Mediterranean
Costas Kadis (Cyprus): Fisheries and Oceans
Jozef Síkela (Czech Republic): International Partnerships
Dan Jørgensen (Denmark): Energy and Housing
Apostolos Tzitzikostas (Greece): Sustainable Transport and Tourism
Olivér Várhelyi (Hungary): Health and Animal Welfare
Michael McGrath (Ireland): Democracy, Justice and Rule of Law
Valdis Dombrovskis (Latvia): Economy and Productivity, Implementation and Simplification
Andrius Kubilius (Lithuania): Defense and Space
Christophe Hansen (Luxembourg): Agriculture and Food
Glenn Micallef (Malta): Intergenerational Fairness, Youth, Culture and Sport
Wopke Hoekstra (Netherlands): Climate, Net-Zero and Clean Growth
Piotr Serafin (Poland): Budget, Anti-fraud, Public Administrations
Maria Luís Albuquerque (Portugal): Financial Services
Roxana Mînzatu (Romania): People, Skills and Preparedness
Maroš Šefčovič (Slovakia): Trade and Economic Security, Interinstitutional Relations and Transparency
Marta Kos (Slovenia): Enlargement
Jessika Roswall (Sweden): Environment, Water Resilience and a Competitive Circular Economy