25. November 2022

Mein Besuch in Kiew, Butscha und Irpin – die wichtigsten Erkenntnisse

Ich bin aus der Ukraine zurück. Was bringe ich mit? Die Ukrainer*innen werden kämpfen bis zum Sieg. Denn sie haben die erschütternden Kriegsverbrechen gesehen, die russische Truppen in den besetzten Gebieten begangen haben. Vergewaltigungen, Folter, sinnlose Morde von Zivilist*innen.  Trotz Kälte und Stromausfällen stehen die Menschen in beeindruckender Weise zusammen. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse, die ich mitnehme: 

 

  • Bestmögliche Verteidigung, um Menschenleben zu schützen: Die Ukraine ist sich einig, dass es die alleroberste Priorität ist, die Menschen zu schützen und dafür zu sorgen, dass kein Gebiet in russische Hände fällt. Die in den befreiten Gebieten begangenen Kriegsverbrechen gegen die zivile Bevölkerung sind unermesslich: Vergewaltigungen, Plünderungen, Hunderte von Morden in Butcha, Irpin und jetzt auch in Cherson und Charkiw. Gebietsabtretungen sind keine Option. Die Ukraine verteidigt sich klug und gut organisiert und braucht dafür Waffen.  
  • Für den Sieg der Demokratie streiten: Die Ukraine verteidigt nicht nur sich selbst, sondern demokratische Werte und eine regelbasierte Welt. Wenn Putin Gewinne erzielt, dann werden er und andere Diktatoren ermutigt, sich mit Gewalt durchzusetzen und Menschenrechte und internationales Recht mit Füßen zu treten.   
  • Den Winter durchhalten: Jetzt ist nicht der Moment für Friedensverhandlungen. Putin fordert Friedensverhandlungen, weil er aktuell in der schwächeren Position ist und seine Truppen neu organisieren will. Die Ukrainer*innen wollen jetzt, wo sie ihr Territorium zurückerobern, weiter kämpfen. Sie sagen: „Minus 10 Grad ist kein Winter.“ 
  • Die Energieversorgung sicherstellen: Russland bombardiert aktuell gezielt die Energie-Infrastruktur, damit die Bevölkerung im kalten Winter unter Kälte und Strommangel leidet.   
  • Finanzhilfen sichern – akut und für den Wiederaufbau: Die Wirtschaft liegt am Boden, da Getreide und industrielle Produkte nicht mehr exportiert werden können. Viele Menschen müssten ins Ausland flüchten, aber auch die Binnenvertriebenen können oft nicht arbeiten. Das führt zu einer Arbeitslosenrate von 30 Prozent. Hohe Ausgaben sind für das Militär nötig. Die EU stellt 18 Milliarden für das Jahr 2023 zur Verfügung. Das ist sehr gut für die laufenden Ausgaben, aber zum Wiederaufbau sind weitere Mittel aus den Mitgliedsstaaten erforderlich.   
  • Kriegsverbrechen ahnden: Die Ukraine fordert ein Ad-hoc-Tribunal für dort begangene Kriegsverbrechen. Wir unterstützen diese Forderung. Dafür müssen jetzt alle begangenen Verbrechen dokumentiert werden.   
  • Langfristig Rechtsstaatlichkeit fördern und Korruption bekämpfen: Die Ukraine hatte traditionell ein korruptes, von Oligarchen beherrschtes Wirtschaftssystem. Seit 2015 hat das Land große Schritte gemacht, die von der Bevölkerung auch stark eingefordert werden. Unter Kriegsrecht herrscht die Regierung allein mit ihrer Parlamentsmehrheit. Mittelfristig müssen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gestärkt werden. Dazu ist es wichtig, dass wir mit Abgeordneten, Zivilgesellschaft und Kommunen sprechen.  
  • EU-Beitritt, wenn die sieben Bedingungen der EU erfüllt sind: Als Voraussetzungen hat die EU-Kommission die Schritte auf dem Weg zu einer Mitgliedschaft formuliert. Dazu zählen die Bekämpfung von Korruption, Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien, eine Medienaufsicht und die Begrenzung des Einflusses von Oligarchen. Zwischenschritte können z.B. über Roaming und eine schrittweise Einführung des Binnenmarktes erfolgen.  
  • Ökozid als Verbrechen anerkennen: Die Ukraine fordert die Einführung des Verbrechens Ökozid. Denn dieser Krieg bringt nicht nur unermessliches Leid für die Menschen, sondern richtet auch enorme Umweltschäden an. Wir unterstützen das. 
  • Der Wiederaufbau muss grün gestaltet werden.   

 

Aus den vielen Gesprächen mit Menschen der Zivilgesellschaft, der Regierung und der Kommunen konnten wir uns dieses nuancierte Bild der Lage machen. Dafür bin ich sehr dankbar und ziehe viele Impulse für meine Arbeit daraus. Wir haben die dringendsten Handlungsbedarfe erkannt und konnten persönlich unsere Solidarität zeigen: We stand with Ukraine.   

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