5. Dezember 2022

So steuern wir die grüne Digitalisierung

Ist die Digitalisierung eine Ursache oder Teil der Lösung für eine der schlimmsten Krisen unserer Zeit, die Klimakrise? Das liegt in unserer Hand. Derzeit verursacht die Informations- und Kommunikationstechnik geschätzte zwei bis vier Prozent aller Treibhausgase weltweit und damit mindestens so viel wie Deutschland. Weltweit steigt der Energieverbrauch durch Rechenzentren, Datenströme und private Endgeräte so enorm an, dass wir Standards und Bedingungen formulieren müssen, damit in Zukunft die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf Klima und Umwelt überwiegen. Um es ganz klar zu sagen: Wir entscheiden, ob die Digitalisierung die neue Kohle oder die neue Windkraft wird. Und es kommt jetzt darauf an, dass wir die Chancen nutzen, mit digitalen Lösungen den Umwelt- und Klimaschutz voranzutreiben.

 

Dabei ist es wichtig, den Blick nicht nur auf Rechenzentren zu richten. Klimaneutrale Rechenzentren stehen zu Recht gerade im Brennpunkt. Aber genauso wichtig ist es, die Menge unnötig generierter Datenströme von Anfang an zu begrenzen. Ein Beispiel: Bisher gibt es kaum nachhaltige Vorgaben für die Softwareentwicklung. Ineffiziente Programmierung wird meist durch schnellere Prozessoren oder leistungsfähigere Hardware-Komponenten ausgeglichen. Dabei könnten wir durch „Green Coding“ die Energiebilanz deutlich verbessern. Daten-, Ressourcen- und Energiesparsamkeit müssen die neuen Gebote der Softwareentwicklung werden. Dafür können wir Anreize schaffen, Nachhaltigkeit in den Lehrplänen verankern und Fortbildungen veranlassen.

 

Wir brauchen europäische Standards für den Energie- und Ressourcenverbrauch von Hard- und Software. Vor allem die großen Plattformen verursachen mit dem maßlosen Sammeln all unserer persönlichen Daten für ihr Werbegeschäft einen immensen Stromverbrauch. Wir drängen auf datensparsamere Geschäftsmodelle. Für die Endverbraucher*innen fordern wir mehr Transparenz: Browser, Suchmaschinen, digitale Marktplätze und soziale Netzwerke müssen in Zukunft im Hinblick auf Strom- und Ressourcenverbrauch für sie vergleichbar sein. Nur so können Nutzer*innen bewusste Entscheidungen z.B. für einen nachhaltigen Browser treffen und nur so können sich Unternehmen in einem Markt, der nicht über den Preis reguliert wird, durch Nachhaltigkeit auszeichnen.

 

Im Europaparlament werbe ich dafür, den Green Deal und die Digitalisierung lückenlos zu verzahnen. Ich fordere für alle aktuell auf EU-Ebene erarbeiteten Gesetze Nachhaltigkeitskriterien ein. Die Bundesregierung muss sich im europäischen Rat für starke Regeln im Data Act und im AI Act einsetzen. Da es bisher zu wenige aussagekräftige Daten zum Energie- und Ressourcenverbrauch von KI-Systemen gibt, müssen etwa im AI-Act klare Transparenzregelungen geschaffen werden, um effiziente Technologien voranzubringen. Der AI-Act muss Umweltrisiken in der Risikodefinition vorsehen und einen Rahmen für die Messung der Umweltauswirkungen von KI-Systemen schaffen.

 

Die Ausbeutung von Menschen und Umwelt darf nicht mehr die Grundlage der Digitalisierung sein. Wir brauchen bessere Bedingungen beim Abbau von Rohstoffen weltweit, indem wir Standards für Lieferketten nach Europa etablieren. Gleichzeitig muss die Reparatur günstiger werden als der Kauf eines neuen Geräts. Das erreichen wir durch einfache Reparierbarkeit, standardisierte Teile, längere Vorhaltung von Ersatzteilen, Bereitstellung von Reparatur-Anleitungen und eine Verlängerung des Gewährleistungszeitraums. Durch verbindliche Standards reduzieren wir die Mengen von unnötigem Elektroschrott und sparen Kosten für das Entsorgen und Recyclen. Klares Labeling von beispielsweise der Reparierbarkeit und ein digitaler Produktpass ermöglichen die nachhaltige Wahl an der Ladentheke und das spätere Recycling für eine echte Kreislaufwirtschaft. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass kein europäischer Elektroschrott mehr mit all seinen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken in ärmeren Weltregionen abgeladen wird.

 

Ein riesiges Thema ist auch der Umgang mit „Rebound-Effekten“: Wie verhindern wir, dass Effizienzgewinne durch die Digitalisierung von zusätzlichem Konsum aufgefressen werden, z.B. wenn wir durch verbesserte Datenübertragung mehr Dienste in Anspruch nehmen als vorher? Dafür brauchen wir neben vielen anderen Maßnahmen zusätzlich Steuerungsinstrumente und absolute Grenzen zur Senkung des gesamten Ressourcenverbrauchs der digitalen Transformation. Die Fiskalpolitik muss umweltschädliche Subventionen streichen und die Steuerlast stärker vom Faktor Arbeit auf Ressourcenverbrauch verlagern.

 

Nebenbei: Die Digitalisierung konsequent an Nachhaltigkeit auszurichten wird auch den europäischen Unternehmen neue Chancen auf dem Markt eröffnen. Bislang wird die Branche von einer Handvoll Großkonzerne dominiert, die ihre Marktmacht mit einem intransparenten Datengeschäft zementieren, das unsere Demokratie aushöhlt, die Klimakrise verschärft und den Wettbewerb erstickt. Es lohnt sich also, für einen digitalen Green Deal zu streiten! 

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