9. Mai 2025

Unabhängigkeit ≠ Anbiederung

Liebe Freund*innen!

Am heutigen Europatag schreibe ich Euch zuallererst mit Freude im Bauch über diesen Tag. 75 Jahre nach der Schuman-Erklärung und 80 Jahre nach Kriegsende können wir in Europa stolz sein, was wir geschafft haben.

Dieser Tag ist aber auch ein Auftrag. Denn die Mächte, die die Lehren der Weltkriege relativieren und wieder auf Krieg als Mittel der Gebietserweiterung setzen, sei es mit Angriffen in Ukraine, Moldawien oder Georgien oder mit vagen Drohungen gegen Kanada, Panama und Grönland, sie werden immer stärker. Dabei nutzen sie ganz gezielt Desinformation, Hass und Hetze, um die demokratischen Gesellschaften zu destabilisieren. Die Plattformen und Unternehmen, die sie kontrollieren, von TikTok über X bis Meta, sind längst auf diesen Kurs eingeschwenkt.

Unabhängigkeit, aber richtig.

Auf dem Papier ist die Antwort Europas darauf: Unabhängigkeit. Doch wenn es konkret wird, dann fällt mir ein anderes Wort ein: Anbiederung.

Ich will Euch ein Beispiel geben, über das ich auch am vergangenen Mittwoch auch vor dem Europaparlament sprechen durfte:

Wir wissen mittlerweile sehr genau, dass die chinesische Plattform TikTok die Daten ihrer Nutzer:innen, oft Kindern und Jugendlichen, zur Erstellung von Profilen nach China schickt. Für desen schweren Verstoß gegen den Datenschutz hat die irische Datenschutzbehörde jetzt endlich eine Strafe in Höhe von 530 Millionen Euro verhängt, ein Tropfen auf den heißen Stein bei einem weltweiten Gewinn von 23 Milliarden. Aber damit ist das Hauptproblem nicht gelöst. Denn auf Tiktok werden Menschen in Sekundenschnelle in Schubladen gesteckt und gezielt radikalisiert, indem ihnen immer radikalerer Content gezeigt wird. Das entscheiden nicht die Nutzer:innen, sondern TikTok. So bestimmt eine chinesische Plattform, was Menschen sehen.

Dahinter steckt ein Geschäftsmodell, das alle großen Plattformen nutzen: Je radikaler und verlogener der Content ist, desto länger bleiben die User auf den Plattformen und desto mehr Geld verdienen die Plattformen mit Werbung. Seriöse Informationen haben dagegen keine Chance und werden gezielt herunter-priorisiert. Die Spionage europäischer Nutzer-Daten durch die chinesische Diktatur und die Manipulation der öffentlichen Meinung, wie in Rumänien gerade zu beobachten, haben es so leicht.

Die Kommission sitzt auf dem TikTok-Bericht und verweigert sich

Dabei hat Europa u.a. mit dem Digitale Dienste-Gesetz die Mittel, die es braucht, um dieses Geschäftsmodell einzustellen und die Macht über das, was sie sehen, den Nutzer:innen zurückzugeben. Selbst entscheiden. Das ist Meinungsfreiheit. Eine Untersuchung, wie TikTok die öffentliche Meinung manipuliert, ist sogar schon fertig. Doch die zuständige EU-Vizepräsidentin Virkunnen weigert sich, ihn zu veröffentlichen. Das wäre der erste Schritt, um TikTok zu zwingen, sein Geschäftsmodell zu ändern.

Doch statt den Bericht zu veröffentlichen und sich den Fragen der gewählten Abgeordneten zu stellen (was sie am Mittwoch verweigert hat), trifft sich Virkkunen lieber zeitgleich zu unserer Debatte mit dem TikTok-CEO, der ein Rechenzentrum in ihrem Heimatland Finnland plant.

Unabhängigkeit wäre, die eigenen Gesetze konsequent anzuwenden. 

Anbiederung ist, wenn man lieber mit dem CEO des von dem chinesischen Regime abhängigen Unternehmens Kaffee trinkt.

Die EU-Kommission ist den Bürger:innen der Europäischen Union verpflichtet. Nicht der chinesischen Regierung oder Tech-Giganten. An diesem Europatag sollte sich die Kommission daran erinnern, den TikTok-Bericht freigeben und endlich eine systematische Untersuchung für alle Plattformen starten, die dann das ermöglicht, was uns wirklich unabhängig macht:

Ein Ende der manipulativen Geschäftsmodelle und die Rückgabe der Meinungsfreiheit an die Bürger:innen.

Dafür kämpfe ich heute am Europatag. Und an jedem anderen Tag.

Ihr findet hier alle Aktionen zum Europatag und an diesem Europawochenende. Wir sehen uns in Bonn und anderswo!

Mit europäischen Grüßen,

Eure Alexandra Geese

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