Meine Stimme für Ursula von der Leyen & gegen Manfred Webers Rechtsaußen-Kurs
Liebe Freund*innen!
Soeben hat das Europaparlament die neue EU-Kommission bestätigt. Selten habe ich über eine Abstimmung so lange nachgedacht. Auch unsere Grüne/EFA-Fraktion war unterschiedlicher Meinung, denn es gibt gute Argumente für und gegen eine Stimme für die zweite EU-Kommission von Ursula von der Leyen. Ich möchte Euch hier genau erklären, warum ich am Ende für von der Leyen gestimmt habe – und warum das dem CSU-Rechtsaußen Manfred Weber gar nicht passt.
Die EVP nicht den Rechtsaußen-Leuten überlassen
Die Europäische Volkspartei EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, ist die größte Fraktion im Europaparlament. Doch in Gesprächen und Verhandlungen mit ihren Abgeordneten merke ich immer wieder etwas, was man auch in den Abstimmungen im Parlament sieht: Die EVP ist gespalten.
Der eine Flügel um den Fraktionsvorsitzenden und CSU-Mann Manfred Weber und dem spanischen Partido Popular sucht den Schulterschluss mit den Rechtsaußen-Fraktionen von Meloni (EKR), Orban/Le Pen (PfE) und AfD (ESN). Schon mehrfach hat Weber mit ihnen Mehrheiten gegen die demokratischen Parteien organisiert, z.B. um die Entwaldungsrichtlinie auszubremsen.
Der andere Flügel, das sind die EVP-Politiker*innen, die den Rechtsaußen-Kurs ablehnen und die demokratische Mitte stützen, die die EU seit 40 Jahren mit einer klaren Abgrenzung gegen die Extremen geführt hat. Dazu gehört auch Ursula von der Leyen und auch einige CDU-Abgeordnete, mit denen man als Demokrat*innen verlässlich und auf gemeinsamen europäischen Werten zusammenarbeiten kann.
In seiner offen zur Schau gestellten und in bester Trump-Manier zelebrierten Ablehnung von uns Grünen steht Manfred Weber seinem CSU-Parteichef Markus Söder in nichts nach.
Dieser Bierzelt-Ton dominierte auch viele des Kommissionsanhörungen, wo der Weber-Flügel besonders die weiblichen Kandidatinnen von S&D und Renew unter der Gürtellinie und parteipolitisch verblendet angegriffen und gleichzeitig den rechtsextremen designierten Kommissions-Vizepräsidenten Raffaele Fitto (EKR) wie einen der ihren hofiert hat. Und selbst jetzt werden weder die EKR noch die EVP geschlossen für Ursula von der Leyen gestimmt. Man sieht, den Rechtsaußen-Leuten ist es nie genug.
Das zeigt auch das Ergebnis der Abstimmung gerade im Parlament. Nur 54% (370 dafür, 282 dagegen, 36 Enthaltungen) der Abgeordneten haben für die von der Leyen-Kommission gestimmt, das schlechteste Ergebnis für eine Kommission jemals. Das heißt auch, ohne unsere Grünen Stimmen hätte es für von der Leyen selbst mit den Stimmen von EPP, Renew und S&D nicht gereicht. Wir haben dafür gesorgt, dass die neue EU-Kommission auf pro-europäische und demokratischen Stimmen aufbaut. Dafür muss von der Leyen jetzt liefern.
Warum erzähle ich Euch das so ausführlich? Weil es ohne die Vernünftigen in der EVP in den nächsten fünf Jahren sehr dunkel für Europa aussieht. Beim Kampf gegen Klimawandel, Artensterben und soziale Ungleichheit in Europa, beim Umbau der Wirtschaft und Schutz der Arbeitsplätze und bei der Verteidigung des Rechtsstaats braucht es die Vernünftigen in der EVP. Manfred Weber hingegen will den offenen Bruch und droht damit aufzustehen, wenn wir als Teil der demokratischen Mehrheit verhandeln.
Deswegen würde Manfred Weber nichts mehr gefallen, als wenn von der Leyen die Unterstützung der demokratischen linken Mitte verlieren würde und sie auf seine Rechtsaußen-Leute angewiesen wäre.
Mit meiner Stimme für von der Leyen sende ich ein Zeichen an die Vernünftigen in der EVP: Ich stehe mit Euch, Ihr seid Teil der verlässlichen demokratischen Mehrheit. Kämpft in der EVP dafür, dass sich Weber nicht durchsetzt.
Denn was passiert, wenn eine konservative Partei komplett nach Rechts wegbricht, kann man in den USA betrachten, wo die Republikaner geschlossen hinter einem verurteilten Vergewaltiger und Betrüger Donald Trump stehen.
Wir Grüne haben viel erreicht
In den letzten Wochen hat unsere Fraktion immer wieder mit von der Leyen verhandelt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen hat sie heute auch öffentlich gemacht. Dazu gehören:
- Von der Leyen stützt sich weiter auf die “demokratische Plattform” von EVP, S&D, Renew und auf uns Grüne, und explizit nicht auf die EKR von Meloni und Co. Das ist eine klare und deutliche Absage an Webers Rechtsaußen-Kurs. Wir sitzen mit am Tisch, mit oder ohne Manfred Weber.
- Die Aufgabenbereiche (“Portfolios”) der beiden Rechtsaußen- Kommissar:innen Fitto (Italien) und Várhelyi (Ungarn) wurden noch einmal zusammengestrichen. Dafür haben wir uns stark gemacht und so verhindert, dass sie noch größeren Schaden anrichten können. Dazu gehört auch die Verantwortung für die europäische Automobilbranche, die nicht bei Fitto, sondern bei von der Leyen selbst liegt, mit der klaren Zusage, hier nicht rückabzuwickeln.
- Von der Leyen hat sich auch klar zur Unterstützung der Ukraine bekannt. Eine Stabilität in einer Welt mit Trump und Putin ist überragend wichtig.
- Und eine Sache ist mir noch persönlich wichtig: Die neue Tech-Kommissarin Henna Virkkunen hat sich klar dazu bekannt, die Regeln für die großen Digitalplattformen umzusetzen und zu stärken. Angesichts der Drohungen von JD Vance, die USA aus der NATO zurückzuziehen, falls Europa weiter gegen Desinformation, Hass und Hetze auf Elon Musks X-Plattform vorgeht, ein politisch wichtiges Signal. Dazu kommt die Betonung darauf, dass wir als Europa unabhängig werden müssen von den großen Tech-Konzernen aus den USA und China und unsere eigene Digitaltechnologie bei Cloud, KI und Social Media aufbauen müssen – nicht zuletzt mit der Unterstützung europäischer Start-Ups. Das war heute ihr erster Punkt in der Rede und zeigt die veränderte Bedeutung, für die ich lange gekämpft habe!
Insgesamt konnten wir also vieles verhindern und klare Zusagen von von der Leyen bekommen. Trotzdem kann man mit Fug und Recht sagen, da sitzt immer noch ein Rechtsextremer als Kommissions-Vize im Kabinett, wie könnt ihr ihm zustimmen? Doch da müssen wir über die Sozialdemokraten reden.
Solidarität mit den deutschen Sozialdemokraten – Einknicken der S&D-Fraktion
Ungarn als auch Italien haben ein Recht ein:e Kommissar:in zu schicken. Sie haben aber kein Recht, Leute zu schicken, die für den Job nicht geeignet sind oder so einflussreiche Aufgabenbereiche bekommen, dass sie schweren Schaden für Europa und seine Menschen anrichten können. Beides trifft auf Fitto und Várhelyi zu.
Die EU-Verträge sehen deswegen eine starke Rolle des Parlaments vor, damit genau so etwas verhindert wird. Doch sowohl im ersten Schritt, bei der Prüfung der Interessenkonflikte im Justizausschuss, als auch beim zweiten Schritt, den eigentlichen Anhörungen in den Fach-Ausschüssen, sind die Sozialdemokraten, und hier explizit nicht die deutschen SPD-Abgeordneten, sondern ihre Fraktionsführung um Iratxe García Pérez ein ums andere Mal vor den Drohungen von Manfred Weber eingeknickt.
Deswegen kann ich sehr gut nachvollziehen, dass die deutschen Sozialdemokraten sich heute als Zeichen gegen das Einknicken ihrer Fraktionsführung enthalten haben. Aber klar ist: Der Ort, Fitto und Várhelyi zu verhindern, war in den Ausschüssen, wo mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit über die einzelnen Kommissare abgestimmt wurde und die S&D die Rechtsextremen Fitto und Várhelyi gegen unsere Nein-Stimmen durchgewunken hat.
Was jetzt passieren muss
Nach der Entscheidung heute beginnt die neue Kommission am 1.12.2024 mit ihrer Arbeit. Von der Leyen muss dann zeigen, dass sie zu ihren Zusagen auch wirklich steht und klar ist bei ihrer Ablehnung des Rechtsaußen-Kurses von Manfred Weber. Wir arbeiten dazu mit allen in der EVP zusammen, die zur demokratischen Mehrheit stehen.
Denn klar ist auch: Man kann zwar hin und wieder eine Abstimmung oder Änderungsantrag mit den Rechtsaußen gewinnen, aber am Ende sind sie nicht verlässlich. Das habe ich hier am Beispiel der Haushaltsabstimmung erklärt. Am Ende stimmten die Rechten dann doch wieder gegen Weber. Großer Schaden für die EU. Und all das für ein CSU-Sharepic und ein Daumen-Hoch aus der Münchner Staatskanzlei.
Und am Ende vielleicht noch der folgende Hinweis: Stimmen für die Kommission bedeuten nicht, dass wir jetzt immer in der Vierer-Konstellation abstimmen. Manfred Weber wird weiter versuchen, mit Rechtsaußen Sachen durchzudrücken und wir werden, wenn nötig, auch harte Oppositionsarbeit leisten, um Abstriche beim Klima- und Naturschutz und bei der Rechtsstaatlichkeit zu verhindern und für eine gerechtere und sozialere Gesellschaft zu kämpfen.
Was die letzten Monate auch gezeigt haben: Die Europäische Demokratie ist an vielen Stellen immer noch eine Demokratie von 27 Mitgliedsstaaten. Wenn in den Anhörungen der neuen Kommission gerade von der EVP immer wieder nationale Einzelthemen eingebracht werden, um heimische Rechnungen zu begleichen, dann kann Europa nicht funktionieren. In einem Zeitalter der Polarisierung, Bedrohungen und des Rechtsrucks braucht die europäische Demokratie mehr Power.
Dafür arbeiten wir jetzt weiter!
Mit entschlossenen Grüßen,
Eure Alexandra Geese