Transatlantischer Dialog mit Shoshana Zuboff: „Die Welt blickt auf Europa.“
Ihr Werk wurde in 25 Sprachen übersetzt und wird von vielen in seiner Bedeutung bereits mit „Das Kapital“ von Karl Marx verglichen: Shoshana Zuboffs Bestseller „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“. Bei einem gemeinsamen Event mit ihr, dem renommierten Datenschutz-Juristen Max Schrems, Jan Philipp Albrecht und mehreren tausend Zuschauern haben Sven Giegold und ich Sternstunden einer transatlantischen Debatte erlebt. Die Veranstaltung ist hier online verfügbar. Gemeinsam haben wir die Frage diskutiert, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen? Noch sind wir eine junge Informationsgesellschaft, wir können einen anderen Weg gehen – und Europa sollte vorausgehen.
„Meine Botschaft ist nicht die eines Scheiterns, sondern ein Aufruf zum Handeln! Wir haben jetzt die Chance, ein demokratisches digitales Zeitalter zu schaffen“, sagte die legendäre Digital-Ökonomin Zuboff, die vielen auch aus der Netflix-Dokumentation „The Social Dilemma“ bekannt ist. Allen gewählten Politikerinnen müsse klar sein, dass jetzt die Stunde für uns und die Demokratie geschlagen habe. „Wir stehen an einem Punkt, an dem es nicht mehr um Probleme mit sozialen Medien geht, sondern um den Überwachungskapitalismus und seine Folgen.“
Shoshana Zuboff, die in Maine/USA lebt, machte bei diesem transatlantischen Dialog deutlich, dass die Grundlagen für eine demokratische Gegenrevolution derzeit in Europa geschaffen würden: „Sie sind Pioniere und die Welt blickt auf Europa.“ Auch die USA würden jetzt wichtige Fortschritte machen. Zuboff warb für eine gemeinsame Vision.
In der Diskussion mit Max Schrems, bekannt als “Facebooks public enemy number one” (Telegraph UK), verwies dieser ebenfalls auf das günstige „Mindset“ in Europa. Es sei hierzulande stärker in der Gesellschaft verankert, dass das Recht auf Datenschutz ein Grundrecht sei und dass personenbezogene Daten der Person gehören. „Wenn man sie sich aneignet, ist es Diebstahl.“ Einem Großteil der Bevölkerung sei der Schutz der eigenen Daten wichtig, die Wirtschaft jedoch ignoriere diesen Wunsch und das Recht. Schrems setzt sich seit Jahren unermüdlich für die Durchsetzung von Datenschutzrechten in Europa ein. Zurzeit geht er gegen undurchsichtige und verwirrende Cookie-Praktiken vor.
In der weiteren Debatte erteilte Shoshana Zuboff jeder Form von Überwachungs-Werbung eine klare Absage: „Wir haben auch in der Vergangenheit Märkte verboten, wenn sie mit Menschen oder menschlichen Organen gehandelt haben“, sagte sie. Beim Handel mit persönlichen Daten könnten wir dasselbe erreichen. Das demokratische Jahrhundert brauche eine Regulierung, bei der wirtschaftliche Interessen nicht gegen die Demokratie ausgespielt würden. Shoshana Zuboff: „Dafür aufzustehen lohnt sich!“
Das war starker Rückenwind für unsere Arbeit am „Digital Services Act“. Unter anderem fordere ich in meinen Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf, dass zum Ausspielen von Werbung nicht Unmengen sehr persönlicher Daten über uns gespeichert werden dürfen. Plattformen sollen keine wirtschaftlichen Anreize mehr haben, Profile ihrer Nutzer*innen zu erstellen, weil diese Datenprofile zutiefst undemokratisch sind. Sie machen uns durchschaubar und manipulierbar.
Bevor die Plattformen das Internet kolonialisiert haben, war es eine Hochburg der Freiheit. Mit wenigen Gesetzesänderungen können wir es wieder genau dazu machen: einem freien Ort des demokratischen Austausches für alle Menschen. Auf geht’s!
Ich bedanke mich auch an dieser Stelle noch einmal bei allen Beteiligten der Veranstaltung für diesen äußerst bereichernden Austausch!