25. Juli 2020

Digitale Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

An ihrer Krisenbewältigung wird die deutsche Ratspräsidentschaft gemessen werden – aber auch daran, wie sie andere drängende Themen behandelt: allen voran die Klimakrise, die Flüchtlingspolitik und die Digitalisierung. Sie machen in der Coronazeit keine Pause. Im Gegenteil: Die Klimakrise schreitet voran, mehr Menschen sind weltweit auf der Flucht und die Digitalisierung ist durch die Coronakrise noch wichtiger geworden und zudem ein zentraler Punkt im „European Green Deal“.

Meine Erwartungen als Digitalpolitikerin an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind deshalb groß, zumal aus dem Wiederaufbaufonds zusätzliche Mittel für Zwecke der Digitalisierung bereitstehen. Wenn die Bundesregierung als „Motor und Moderator“ agieren will, sollte sie für die Digitalisierung einen hohen Gang einlegen.

Die drei größten digitalen Herausforderungen:

  • Die Strategie für Künstliche Intelligenz braucht klare ethische Regeln. Schon jetzt treffen KI-Anwendungen viele Entscheidungen für uns, aber für die meisten Menschen sind sie eine Blackbox.
    KI schafft viel – aber nicht nur Gutes. Sie kann auch reale Diskriminierungen in der Gesellschaft verschärfen. Deshalb brauchen wir klare Regeln, mit denen Europa auf der KI- Welle surfen kann – und nicht von ihr überrollt wird.
    Wenn sich nun die Anzeichen mehren, dass die Bundesregierung ihre ethischen Ansprüche an Anwendungen künstlicher Intelligenz herunterfahren will, bereitet mir das Sorge. Es gibt keinen Grund für schwache Regeln. Das Argument, die Unternehmen könnten sonst im Wettbewerb nicht mithalten, zieht nicht. Ohne klare Regeln stürzen die Unternehmen in eine extreme Rechtsunsicherheit. Sie würden ständig in Konflikt geraten mit unserem Grundgesetz, den Menschenrechten und der DSGVO. Und wofür wollen wir das Geld lieber einsetzen? Für eine sinnvolle Regulierung von Anfang an oder für permanente Rechtsstreitigkeiten? Das könnten sich die großen Unternehmen vielleicht noch leisten, aber kleine und mittelständische nicht.
  • Der Aufbau einer sicheren und vertrauenswürdigen europäischen Dateninfrastruktur: Europa braucht eigene Datenspeicherkapazitäten. Mit der DSGVO haben wir die besten Datenschutzregeln der Welt, aber nicht immer Platz für alle unsere Daten. Gerade im Gesundheitsbereich können gemeinsame Daten große Fortschritte in der Forschung ermöglichen, aber genau hier sind Daten besonders sensibel. Deshalb brauchen wir klare Regeln und Standards für gemeinsame Datenspeicher, die die europäische Forschung voranbringen und Grundrechte wirksam schützen.
  • Der Gesetzentwurf für den „Digital Services Act“ steht an. Er soll den Umgang der Internetplattformen mit ihren Inhalten regeln – vor allem für die kriminellen, verhetzenden und beleidigenden Inhalte. Viele Menschen, insbesondere Frauen und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte oder People of Color können sich öffentlich kaum noch äußern. Dadurch fehlen wichtige Stimmen in unseren Debatten. Zurzeit läuft die öffentliche Konsultation, an der sich alle Bürger*innen beteiligen können. Danach kann der Gesetzentwurf vorgelegt werden. Innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft bietet er die Chance, der große digitale Wurf zu werden.

    Zwar hat die EU nicht die Gesetzgebungskompetenz, um in Strafangelegenheiten einzugreifen. Aber sie kann per Gesetz gute Alternativen wie Transparenzpflichten für Empfehlungsmechanismen und „Social-Media-Räte“ etablieren. Diese Gremien könnten ein offenes, transparentes, rechenschaftspflichtiges und partizipatorisches Forum für grundsätzliche Fragen der Inhaltemoderation von Online-Plattformen bieten. Diese Räte sollen divers besetzt sein, damit sichergestellt ist, dass die Interessen aller Gruppen in der Bevölkerung vertreten werden.

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